Geschichte im Ersten: Der Fukushima-Schock

Geschichte im Ersten: Der Fukushima-Schock

Ein Lehrstück an tendenziöser Berichterstattung war am 13. Februar 2012 um 23:30 Uhr in der ARD zu sehen. Unter dem Titel „Der Fukushima-Schock“ veranstaltete man dort in der Reihe Geschichte im Ersten eine Werbesendung für regenerative Energien, gewürzt mit einer starken Prise ethisch-religiöser Ansichten. Das Reaktorunglück von Fukushima diente dabei allerdings nur als erleuchtende Einleitung in einen Überblick über die Geschichte der deutschen Energiewende, die größtenteils kritiklos bis begeistert kommentiert wird.

Basiszutaten für öffentlich-rechtliche Berichterstattung über Energiethemen sind eine klare Freund-Feind-Aufteilung, die durch horrorfilmtaugliche Musik und einen äußerst nachdrücklichen Sprecher unterstrichen wird, und das Fehlen echter Experten zum Thema. Viel lieber lässt man vermeintlich betroffene, möglichst von den Grünen, oder selbst ernannte Experten deutscher Umweltschutzverbände zu Wort kommen. Ein einziger Gesprächspartner wurde klar als Physiker ausgewiesen, durfte aber nur kurz etwas zu vermeintlich erhöhten Leukämie-Fällen im Umkreis des AKW Krümel sagen (und war davon nicht überzeugt). Der zweite Naturwissenschaftler im Bericht war der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Ernst Ulrich von Weizsäcker, der aber, ganz Politiker, ebenfalls nichts zu wissenschaftlichen Themen zu sagen hatte, sondern sich fein in die ethisch-religiöse Grundstimmung der Sendung einfügte. Wahrscheinlich ist er deshalb auch gern gesehener Gast und Redner auf deutschen Krichentagen.

Naturwissenschaftliche, ökonomische und ökologische Aspekte kamen sowieso nur am Rande zum Tragen, viel wichtiger waren den Autoren ethische und religiöse Fragen im Zusammenhang mit Energiegewinnung. Bezeichnenderweise beginnt die Dokumentation mit der Begleitung eines buddhistischen Mönches, der in der Gegend um Fukushima einem Aufräum- und Dekontaminationstrupp angehört. Immer wieder werden verlassene und verwüstete Städte gezeigt, der dafür ursächliche Tsunami erscheint aber nur ein mal kurz. Viel öfter dafür gibt es Bilder des AKW Fukushima und deutscher Atomkraftwerke, insbesondere Krümel im Nebel, gefilmt wie die innerdeutsche Grenze, und unterlegt mit Musik und sphärischen Klängen, die auch gut in einem mittelmäßigen Horrorfilm Platz gefunden hätten.

Klar zugeteilt sind die Rollen von Gut und Böse. Während Atomkraft und Energiegewinnung aus Kohle per se schlecht sind, ist die Gewinnung aus Holzverfeuerung auf einmal gut, da dabei in der ARD-Traumwelt scheinbar keine Emissionen freigesetzt werden. Zeigte man Kohlekraftwerke immer mit großen, rauchenden Schloten, so begnügt man sich bei der Restholzverfeuerung damit, die schön lodernde Flamme zu zeigen. Ebenso werden von Atomkraftwerken möglichst unvorteilhaft verschmutzte Fassaden gezeigt, während Windkraftanlagen immer von einer Abendsonne im warmen Licht rotieren.

Interessant gerät auch der Auftritt eines Herrn Mildebrath, der als Tüftler vor dem Herrn vorgestellt wird, seines Zeichens Anti-AKW-Aktivist der ersten Stunde. Dieser betreibt einen Generator mit altem Bratfett, anstatt umweltschädliches Benzin zu nutzen. In der ARD-Welt entstehen bei der Verfeuerung von Bratfett wahrscheinlich Rosenblüten an Stelle von Abgasen. Mildebrath freut sich natürlich darüber, dass er das Bratfett kostenlos erhält und so Geld sparen kann, auch wenn er für die Aufbreitung, also Erhitzung und Filtrierung, mehr Aufwand betreiben muss. Wahrlich, der Mann, ach nein, dieser Tüftler vor dem Herrn, hat die Lösung für den Wirtschaftsstandort Deutschland gefunden!

Immer wieder klingen religiöse Bezüge im Beitrag durch, die wunderbar zur Entstehung der Energiewende in Deutschland passen, die in der Ethikkommission ja nicht von Experten und Wissenschaftlern abgesegnet wurde, sondern auch von Kirchenvertretern und anderen ethischen Größen. Passend dazu auch das Sendungsbewusstsein der Akteure, die prophezeien, dass die Welt am deutschen Wesen genesen wird, wenn die Energiewende erst mal geklappt hat. Ja, und wenn nicht? Klaus Töpfer befürchtet, dass die Energiewende daran scheitern könnte, dass sie nicht professionell koordiniert wird. Das befürchtet ausgerechnet der Vorsitzende der Kommission, die absolut technikfern über die Energiewende und die Abschaltung der deutschen AKWs befunden hat.

Das nächste Rührstück ist dann das österreichische Städchen St. Veit, dass 70% seines Energiebedarfs aus regenerativen Energien deckt, und, ach schauen sie doch, wie schön sich damit der Weihnachtsmarkt und die weihnachtliche Dekoration beleuchten lassen, mit moralisch einwandfreier Energie. Leuchtet die dann anders? Ist Stom doch gelb? Oder irgendwie anders, wenn er aus unterschiedlichen Quellen gewonnen wird? Industriebetriebe werden in St. Veit, bis auf eine Solarmodulfabrik, übrigends nicht gezeigt. Dafür kommt, bezeichnend für diese Dokumentation, eine Kapelle ins Bild.

Der deutsche Weg, er schaut so sanft aus, schwärmt einem der Sprecher vor. Sanft kreisen die Rotoren und sanft ist man auch der unweigerlichen Realität entfleucht. Zum Ende hin kommt dann doch noch mal ein klein wenig Kritik an der Zuverlässigkeit und an den Kosten der regenerativen Energien auf, die aber mit einem kirchentagswürdigen Satz beiseite gewischt wird:

„Ob sich der ernergiepolitische Aufbruch aber wirklich mit einer bloßen Kosten-Nutzen-Rechnung bewerten lässt?“

Deutschland braucht auf jeden Fall mehr bratfettbefeuerte Kapellen!.