Lehren aus der Causa Wulff

Lehren aus der Causa Wulff

Nun ist es dann doch, wie zuletzt von vielen erwartet, passiert, dass Bundespräsident Wulff zurückgetreten ist. Für viele Pressestimmen war es ein längst überfälliger Schritt, hatte man sich doch schon sehr lange an ihm abgearbeitet. Nach Horst Köhler hat man nun also den zweiten Präsidenten aus dem Amt geschrieben, den ersten für das Anstoßen einer nicht genehmen Diskussion (Auslandseinsätze der Bundeswehr), den zweiten für eine kolportierte zu große Nähe zu Freunden aus der Wirtschaft.

Was lernen wir daraus? Freunde sind für Politiker wesentlich gefährlicher als Feinde, und die oberflächlich moralischen Ansprüche an manche Amtsträger sind so hoch, dass sie kaum zu erfüllen sind. Diejenigen, die ständig von der Würde des Amtes faseln, die nicht beschmutzt werden darf, haben das Amt zu einer reinen Projektionsfläche verkommen lassen, in die man gerade genehme Forderungen und Tabus hinein interpretiert. Köhler hat man Äußerungen übel genommen und falsch ausgelegt, die schon seit Jahren in Verlautbarungen und Forderungen anderer politischer Gremien enthalten waren. Wulff wurde zum Verhängnis, dass er öffentlich nicht opportune Freundschaften pflegte, aus denen bisher nicht nachgewiesene Vorwürfe der Vorteilsnahme konsturiert wurden. Was man beiden vorwerfen kann ist ein naiver Umgang mit der Medienöffentlichkeit und fehlendes Gespür im Umgang mit der Wirkung von Beziehungen.

Freundschaften wurden bei Wull zu etwas anrüchigem, was manche Journalisten zu der Idee verleitete, man solle mit Freunden auch die Übernachtungen abrechnen. Eine aberwitzige Idee, die jegliches menschliches Sozialgefüge ad absurdum führt. Alle Menschen leisten sich untereinander gegenseitig Freundschaftsdienst, und der eine oder andere hat nun mal Freunde, die wertvollere Dienste leisten können als andere. Dies immer alles in den Dunstkreis von Vorteilsnahme und Mauschelei zu drücken zeugt von einem pervertierten Menschenbild, dass keinen Präsidenten sondern einen Heiland fordert. Ein solches Menschenbild, dass den Menschen als stehts verführbares Wesen begreift, dass immer nur auf den eigenen Vorteil aus ist, macht das ganze Leben zu einem Minenfeld, aus dem es kein Entkommen gibt. Irgendwann wird immer eine hoch gehen.

Der Bundespräsident soll oberster Repräsentant sein und als solcher noch möglichst volksnah. Quasi der liebe Onkel aus dem Schloss Bellevue. Nur ist es nun aber so, dass man die Freunde meist in den Kreisen findet, in denen man sich häufig bewegt. Auch bei den Stars und Sternchen aus der Unterhaltungsindustrie kommt es wohl nur selten zur Aschenputtelgeschichte, in der der Prinz die Dame aus dem niederen Volk erwählt. Auch dort bleibt man größtenteils unter sich und kennt nach einiger Zeit vor allem Menschen, die in ähnlichen Höhen und Tiefen unterwegs sind. Supermodels sind in den seltensten Fällen mit Straßenkehrern und Tellerwäschern liiert.

Wulff also nun vorzuwerfen, er habe zu viel Nähe zu Personen aus der Wirtschaft, verkennt die Realität. Der Präsident kommt fast nur mit solchen Leuten in vertraulichen Kontakt, die Volksnähe kann nur Inszenierung sein, wie bei allen anderen Politikern und sonstigen Eliten auch. Für diese Abschottung sorgt schon der Apparat an sich.

Die Vorwürfe gegen Wulff sind bisher nicht bewiesen, sich Kredite von Freunden geben zu lassen ist in Deutschland bisher noch nicht strafbar. Daraus etwas Unmoralisches zu konstruieren ist wie eine Beweislastumkehr. Man wirft dem Amtsträger etwas vor und schaut dann einfach zu, was passiert. Was man Wulff vorwerfen muss ist seine Naivität  im Umgang mit den Vorwürfen. Ausgerechnet bei der BILD-Zeitung anzurufen und die Unterbindung von Artikeln zu verlangen ist schon nicht mehr nur naiv sondern strohdumm. Den damit begonnenen Kampf konnte er nur verlieren. Irgendetwas wird sich wahrscheinlich bei jedem Menschen finden lassen, die Frage ist, wie wir das bewerten.

Wer ein Amt dermaßen überhöht, der muss sich später nicht wundern, wenn es durch den Fall der darin gefangenen Person beschädigt wird. All die, die nun von einer Beschädigung des Amtes sprechen, haben an der ganzen Karamboulage mitgewirkt. Die Moralapostel aus allen Fraktionen sind mittlerweile schon mit der taktischen Nachfolgersuche beschäftigt, um das nächste Leichtgewicht ins Amt zu hieven, dass dann wahrscheinlich um so höher fliegen und fallen wird.

Gerade die Überhöhung des Amtes hat dazu geführt, dass es für die politischen Parteien zu einer Verschiebemasse geworden ist, mit der man dem politischen Gegner eine reinwürgen kann. Die Opposition hatte 2010 Gauck auch nicht gewählt, weil er einer der ihren war, sondern vor allem, um damit die Koalition zu ärgern, die selber nicht auf die Idee gekommen war. Auch das Aufstellen von Frauen immer dann, wenn sie nicht gewinnen können, zeugt von dem ach so hohen Respekt vor dem Amt.

Irgendwann wird sich niemand mehr finden, der sich die Reinheit für dieses Amt zutraut. Vielleicht sollten wir den Grüßaugust oder die Grüßaugustine aus Bellevue einfach abschaffen, dann wäre dieses moralische Minenfeld entschärft. Oder man schaut sich den schönen Vorschlag von Rainer Bonhorst an: Zurück zur Monarchie, Zurück zur Monarchie, zweiter Teil..