Tirana, Albanien, 5-Sterne-Bier

Tirana, Albanien, 5-Sterne-Bier

Navigationsgeräte mit Europakarte scheinen unter Europakarte allein den Umriss mancher Länder zu verstehen, wie zuvor bereits geschrieben kannten unsere Navis in Tirana nur zehn Straßen, und die Straße vom Hostel war natürlich nicht dabei. Frohgemuts hatte wir uns dann vorgenommen, uns einfach durchzufragen, was beim Anblick der Verkehrslage in Tirana aber schnell verworfen wurde, da wir nicht mal Straßenschilder fanden. Daraus resultierte der Plan, einfach in die Stadt zu fahren und nach Unterkünften Ausschau zu halten, was ja nicht allzu schwer sein sollte. In einem Vorort von Tirana sahen wir auch schon das erste Hostel-Schild, wollten aber nicht in den Außenbezirken übernachten und fuhren weiter. Und dann kam nichts mehr. Absolut kein einziges Schild mit passender Aufschrift wie Hotel, Hostel oder Herberge oder ähnlichem.

Wir schwammen also weiter im Straßenverkehr mit und hielten gleichzeitig Ausschau nach Unterkünften. Im Navi hatten wir einfach die Stadtmitte als Ziel angegeben, was auch ganz gut klappte. Ganz im Gegensatz zur Suche nach einer Unterkunft. Doch dann sahen wir endlich ein passendes Schild, Hotel Europapark. Von außen sah es nach mittlerer Preisklasse aus und wir fanden in der Nähe einen vorübergehenden Parkplatz, auf dem wir gleich von kaugummiverkaufenden Zigeunerkindern belagert wurden. Im Hotel stellten wir dann fest, dass der äußere Schein oft trügerisch ist. Das Doppelzimmer sollte 250€ kosten. Wir schluckten und fragten dreist, ob man uns keine günstigeren Hotels nennen könne. Konnte man natürlich nicht, aber man bot uns das Zimmer nun für 160€ an. Das war in etwa so viel, wie wir für alle vorherigen Übernachtungen zusammen ausgegeben hatten. Nach acht Stunden Fahrt über Schotterpisten und durch albanischen Stadtverkehr mit Dauergehupe war unsere Widerstandskraft allerdings nicht mehr groß. Wir willigten also ein und nahmen das Zimmer samt Frühstück.

Ich hatte nicht mal in Deutschland jemals so viel Geld für eine Übernachtung ausgegeben und trauerte noch ein wenig meinem Geld hinterher, bis ich mich dann im Zimmer aufs Bett geschmissen hatte. Hat man auf einer Reise nicht viel Komfort, so fehlt er auch nicht. All die mehr oder weniger schlechten Betten in den Hostels und die Duschen, in denen es meist extreme Temperaturschwankungen herrschten (bis auf Split), hatten mich nicht gestört. Aber wenn man auf ein mal ein riesiges, bequemes Bett hat, davor einen überdimensionierten Flachbildfernseher mit deutschsprachigem Programm, dessen Ton auch aufs Bad geliefert wird, damit man beim Toilettengang nichts verpasst, wenn es eine Minibar gibt und einen Balkon vor dem Palmen in der Abenddämmerung stehen und man leise den Pool plätschern hört, und wenn das Dauergehupe nur noch in weiter Ferne scheint, dann vergisst man auf einmal das Geld und bricht in unbändige Freude aus und genießt nur noch. Ich glaube, ich habe mich bestimmt ’ne halbe Stunde auf dem Bett rumgeschmissen und mich gefreut. Ein Blick in die ausliegende Hotelbroschüre brachte dann auch etwas Klarheit. Wir waren in einem 5-Sterne-Hotel einer österreichischen Hotelkette gelandet.

Für die Minbar brauchte man ein Formular auf dem man den Verzehr einzutragen hatte, welches dummerweise nicht vorhanden war. Also eben bei der Rezeption angerufen um das Bier plündern zu können. Kurz darauf klopfte ein extrem freundlicher Zimmerjunge vor der Tür und überbrachte das Formular mit tausend Entschuldigungen. Irgendwie war es mir wahrscheinlich peinlicher als ihm, so hofiert zu werden.

Der Plan, Abends in Tirana auszugehen zerschlug sich dann, wir mussten das Zimmer genießen. Am nächsten Morgen wollten wir noch den Pool nutzen, ausgiebig frühstücken und dann weiter. Auch den Pool nutzten wir dann nicht sondern gaben uns ganz dem Frühstück hin. Denn auch beim Frühstück fand man lauter Dinge, die man insgeheim vermisst hatte, vor allem Filterkaffee und Müsli. Außerdem habe ich wie wild getoastet weil ich den automatischen Durchlauftoaster so toll fand. Manchmal lohnt es sich echt, Geld für so etwas auszugeben, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass mir diese Erkenntnis ausgerechnet in Albanien kommen würde.

Nach dem Frühstück haben wir dann noch ein wenig die Umgebung des Hotels erkundet, waren auf dem Mutter-Theresa-Platz und haben feststellen dürfen, dass Tirana trotz realsozialistischer Verschandelung schöne, grüne Straßenzüge mit vielen kleinen Bars und Kaffees hat.

Überhaupt Albanien, das war schon das interessanteste Land auf der Tour, weil es bisher so ein absolut unwahrscheinliches Ziel war. Autos gehen den Albanern scheinbar über alles und die Westbindung wird durch Unmengen von EU- und NATO-Fahnen zelebriert. In der EU sind sie noch nicht, aber in der NATO schon seit ein paar Jahren. Ich habe noch nie irgendwo gesehen, dass sich die Menschen NATO-Fahnen an ihren Häusern anbringen, aber in Albanien waren sie allgegenwärtig.

Über Durres und Gjirokaster ging es dann weiter nach Griechenland. Mal über die allgegenwärtigen Schotterpisten der zukünftigen Autobahn, mal über Schlaglochpisten und mal über fertige Teile der neuen Straße. Die Fahrt führte durch das mediterrane Durres, mit seinen aus dem Boden schießenden Hotelanlagen, vorbei an unzähligen Tankstellen, die angeblich alle über eine Bar, ein Kaffee und manchmal noch über ein Restaurant verfügten, auch wenn dort meist nie mehr als ein kleines Tankstellenhäuschen war. Durch das schöne, hügelige Südalbanien, vorbei an unzähligen, einst gegen Griechenland gerichteten Panzerkuppeln ging es weiter. Hier existierte auch das ärmliche Albanien noch, mit kleinen verarmten Dörfern, deren Bewohner eine einzelne Kuh auf der Weide hüteten, inmitten von Bohrtürmen für irgendetwas was nach Teer roch.

Umweltverschmutzung war eh allerorten ein Problem, Flüsse waren teilweise voller Müll und auf Freiflächen kokelten Müllberge vor sich hin. Wenn sie es schaffen, dass Müllproblem und die Touristenabzocke zu bekämpfen, dann steht dem Tourismus eigentlich nicht mehr viel im Weg. Die Infrastruktur ist im Aufbau, das Land ist schön und vor allem preislich interessant. Und mit Touristenabzocke meine ich nicht das Hotel, dass war absolut in Ordnung und für das Gebotene preislich im Rahmen. Aber beim Kauf von Postkarten an einem Straßenstand hatte man einfach keine Preisschilder angebracht und wir haben mehr gezahlt als in Touristenhochburgen wie Dubrovnik und Split. Und beim Tanken in Tirana konnte man laut Schild zwar mit Kreditkarte zahlen, aber angeblich war das Terminal ausgefallen und da wir keine Lek mehr hatten, nahm man natürlich auch Euros, für die man aber kein Rückgeld geben konnte und deren Wechselkurs an der Tankstelle willkürlich festgelegt wurde.

Nichtsdestotrotz war Albanien auf Grund der Eindrücke das interessanteste und lustigste Land auf der Strecke. Wohl nicht umsonst wurde Albanien von Lonely Planet zum Top-Reiseziel 2011 erklärt..