Vor der roten Genussampel – oder doch nicht

Vor der roten Genussampel – oder doch nicht

Vor der roten Ampel sollen die Verbraucher in der EU nun doch nicht stehen, dass war selbst Brüssel zu einfach und undifferenziert. Am Ende wäre noch rausgekommen, dass Biozucker und Biofett nun mal Zucker und Fett bleiben, und dass man doch nicht so pauschal alles verdammen kann.

Die Ampel mag vom Tisch sein, an der genussfeindlichen Einstellung der Volksbeglücker ändert das wenig. Die Menschen sollen immer noch dahingehend erzogen werden, ein wohlgefälliges, nachhaltiges, gesundes und produktives Leben zu führen. Wie die meisten Heilsversprechen hört sich auch dieses im ersten Moment wieder gut an, wird aber dann bedrohlich, wenn es darum geht, wer denn die Wertung vornimmt, was wohlgefällig ist und was nicht.

Geht es nach den modernen Asketen, verzichten wir auf alles, was keinen direkten „Sinn“ ergibt, also auf all das, was zum Leben nicht unbedingt notwendig ist, folglich also auf die meisten Genussmittel, übermäßigen Fleischverzehr und übermäßiges Essen überhaupt, sowie auf maschinelle Fortbewegung und so weiter, auf das Rauchen sowieso. All diese Sachen verbrauchen nicht nur übermäßig viel Ressourcen für ihre Herstellung oder Umsetzung, sie beeinträchtigen die Menschen nach Meinung der Volkstherapeuten auch über die Maße negativ, machen sie sogar krank.

Genuss ist hierbei äußerst negativ besetzt, quasi als lebensfeindliche Geisteshaltung. Jemand, der etwas genießt, sei es nun Tabak, Alkohol oder gutes Essen, zeigt eine Schwäche. Anstatt Genuss als etwas positives, lebensbejahendes zu sehen, wird er als menschlicher Makel diffamiert, für den man sich schämen sollte, wenn man sich ihm hingibt.

All die Gesetze, Vorschriften und Regelungen, wie die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen, sollen beim Bürger ein Schuldgefühl auslösen, wenn er das Genussmittel konsumiert. Erziehung über schlechtes Gewissen. Raucher und kräftiger gebaute Menschen werden stigmatisiert, indem man ihnen eigene Bereiche zuweist oder sie fürsorglich über ihr Verhalten „aufklären“ will.

Die dahinter steckende Idee degradiert den Menschen von einem selbständigen Individuum zu einem kleinen Rädchen in einem großen System, das zum einen nicht selber existieren kann und zum anderen bitte auch auf sich selbst zu achten hat, da es ja ein wichtiges Mitglied des Systems sei. Hier wird einem Honig um den Mund geschmiert, der einen direkt entmündigt.

Für die Volkserzieher ist es nicht akzeptabel, sich aus dem „gut geschmierten“ System zu verabschieden, sei es auch nur für kurze Ausflüge. Genuss mindert in ihren Augen nur die Produktivität und die Lebenserwartung des kleinen Rädchens, dass gefälligst zu funktionieren hat. Da das kleine Rädchen dies aber nicht einsieht, muss man es vom goldenen Weg überzeugen..