Angeblich das richtige Wort

Angeblich das richtige Wort

Vorgestern war ich bei Rolf und habe mir den Fünf-Flaschen-Film 2012 „angetan“, wobei ich allerdings gestehen muss, dass ich fatalerweise nur vier Flaschen genommen habe, um nicht durch übermäßigen Harndrang vom Film abgehalten zu werden, was aber eigentlich keinen allzu großen Unterschied gemacht hätte. Über Toilettengänge soll hier aber nun nicht geschrieben werden.

Im Jahr 2012 geht nun also mal wieder recht zeitnah die Welt unter, was ja eine Grundkonstante der meisten Filme von Roland Emmerich ist. Der Untergang lässt nie lange auf sich warten sondern findet in einem Zeitrahmen statt, der in in fast jede Urlaubsplanung passt. Im Gegensatz zu einem Urlaub lässt sich der Untergang aber fast nie aufhalten, sondern bestenfalls überleben, so auch bei 2012. (Wobei das manche vielleicht auch von ihrem Urlaub behaupten werden.)

Waren 1996 noch Außerirdische die Schuldigen, übernehmen diese undankbare Aufgabe acht Jahre später, am Tag nach Morgen, also schon Übermorgen, wir Menschen selber, während im Jahr 2012 die Schuldfrage nicht mehr individuell geklärt werden kann. Es passiert einfach.

1996

Independence Day passt eigentlich nicht in die Reihe der anderen Filme, lediglich die geschiedene Ehe von einem der Hauptprotagonisten passt ins Bild. Ohne persönliche, individuelle Dramen funktioniert keine große Leinwandkatastrophe. Es beschleicht einen das Gefühl, dass vor allem die gebrochenen Charaktere zum Überleben geschaffen sind, frei nach dem Motto: Schlimmer kommts (n)immer. Dafür schaffte es die Menschheit 1996 noch aus eigener Kraft, dass Unheil zu besiegen, wenn auch nur unter großen Opfern, aber so ist das halt bei Katastrophen. Die positive Grundeinstellung des Films, dass die Menschheit Herr ihres Schicksals ist, wurde leider von einer Überdosis Pathos und einem naiven, tumben Fahnenschwenkerpatriotismus begleitet. Auch war die Geschichte in sich nicht immer logisch, wofür man aber durch tolle Spezialeffekte, die wahre Stärke Emmerichs, entschädigt wurde.

2004

Bei The Day After Tomorrow sieht es dann nicht mehr so rosig aus. Die Menschheit trägt selber Schuld an ihrem Untergang und hört natürlich weder auf die Mahner, noch kann sie ihr Schicksal abwenden. Aber halt, die Menschheit? Nein, denn betroffen von der Vereisung ist – wie durch göttliche Fügung oder vielmehr Bestrafung – nur die Nordhalbkugel, deren Völker am Ende dann im Süden um Asyl bitten müssen. Der Film greift die These der globalen Erwärmung etwas anders auf, indem mal wieder die alte Angst vor einer neuen Eiszeit geschürt wird. Wissenschaftlich ist der Film Humbug, er vermischt lediglich bestehende Ängste und populärwissenschaftliche, teilweise schon längst widerlegte oder gänzliche unmögliche Theorien. Man könnte den Film natürlich als reines Action- und Effektspektakel sehen – nur will er selber mehr sein. Die These des vom Menschen verursachten negativen Klimawandels wird ja nicht einfach nur adaptiert und in eine abstruse Hintergrundgeschichte verwandelt, sondern fungiert auch als mahnende Botschaft. Den Strafen Gottes gleich werden die Sünder (natürlich der wohlhabende Norden) bestraft und müssen nun bei den Unschuldigen (natürlich der „unterentwickelte“ Süden) zu Kreuze kriechen. Nicht umsonst hat Al Gore Szenen aus dem Film in seiner „Dokumentation“ Eine unbequeme Wahrheit verwendet.

10.000 v. Chr.

Machen wir nun einen kleinen Zeitsprung in die andere Richtung und begeben uns in das Jahr 10.000 B.C., in dem man sehen wird, dass die Pyramiden mit Hilfe von Mammuts erbaut wurden und das es tatsächlich Leute gibt, die mit einem Brett vorm Kopf durch die Gegend gelaufen sein sollen. Natürlich ist all dies nur ein großes Märchen und auch als solches angelegt – glücklicherweise, denn Absurditäten hält der Film reichlich bereit. Um die soll es aber auch hier nicht gehen. Wie fügt er sich nun in die anderen Filme ein, wo er sich doch von Form und zeitlichem Kontext so sehr von ihnen unterscheidet? Es gibt eine Gemeinsamkeit: das negative Bild der Menschheit an sich und insbesondere des Fortschritts. Gezeigt wird die Unterjochung und Versklavung primitiver (aber glücklicher) Stämme durch eine (natürlich dekadente) Hochkultur, wobei das Bild des edlen Wilden ausgiebig gepflegt wird. Die Hochkultur ist zwar fortschrittlich, wird aber in einem negativen Kontext dargestellt, indem sie graumsam und dekadent handelt. Der Stamm der Jäger und Sammler hingegen führt zwar ein primitives, aber dafür mit positiven Idealen besetztes Leben. Fortschritt korrumpiert, führt in die Dekadenz und Grausamkeit, während kleine, primitve Stammeseinheiten glücklich bis zum Tod leben würden, würden sie nicht vom Fortschritt überrollt.

2012

Zurück in der nahen Zukunft steht die Menschheit im Jahr 2012 – mal wieder – vor ihrer globalen Auslöschung, der nur ein paar Auserwählte entgehen können. Zwar hört man diesmal auf die Mahner und bereitet sich sogar vor, aber leider hat man sich dann doch etwas verrechnet, wodurch alles schneller als gedacht passiert. Der „wissenschaftliche“ Hintergrund des Films ist – welche Zufall – eine Vermischung bestehender Ängste, Verschwörungstheorien und populärwissenschaftlicher Themen, durch die sich die NASA glatt dazu veranlasst sah, eine Seite ins Netz zu stellen, auf der diese „wissenschaftlichen Theorien“ widerlegt werden. Das ist aber eigentlich zu viel der Ehre für diesen Film, dessen pseudowissenschaftliches Gelaber, gerade am Anfang, mehr als peinlich ist. Wie dem auch sei, die Erde geht im Jahr 2012 also unaufhaltsam unter, woran der Mensch an sich dieses Mal nicht die Schuld trägt, woran er aber auch nichts ändern kann. Es bleibt ihm lediglich übrig, wie Noah annoo dazumal ein paar Archen zu bauen, auf denen ein paar Neusiedler überleben sollen. Ach ja, bevor ich es vergesse: der Hauptdarsteller, ein erfolgloser Autor von Schundromanen, oder so, ist natürlich geschieden und hat ein nicht allzu gutes Verhältnis zu seinen Kindern – aber das war ja klar. Viel interessanter ist, dass die Eliten, also die Regierungen und die Reichen, die die Archen maßgeblich durch den Kauf von Plätzen auf ihnen finanziert haben, mal wieder korrupt, dekadent und egoistisch sind. Denn zum einen scheren sie sich nicht um das „normale“ Volk und zum anderen gibt es auf den Archen natürlich für jeden eine eigene kleine Luxus-Suite, die nur Platz verbraucht. Merke: Geld korrumpiert, macht böse und dekadent.
Intelligenterweise wurden die Schiffe dann auch noch im Himalaya gebaut, wodurch sie sich bei der Flut gleich mal durch enge Schluchten drängen müssen. Sehr „schön“ ist auch die Verbeugung vor der kommunistischen Diktatur in China, denn wer hätte sonst so schnell bauen können, wenn nicht die Chinesen, die können das. Klar, in einer Diktatur kann man Mitwisser nun mal einfacher aus dem Weg räumen, Demokratien sind bei der Rettung der Menschheit doch schon recht ineffizient, wenn man das mal so betrachtet (dummerweise haben „die Chinesen“ aber die Schotts an den dümmsten Stellen eingebaut, so das eine der Archen fast sinkt). Das Beste kommt aber zum Schluss: die wohlhabenden und fortschrittlichen Staaten sind am stärksten betroffen, während Afrika noch aus dem Meer ragt, wo man nun um Asyl bitten kann. Ganz so wie jedes Jahr tausende Afrikaner über das Mittelmeer veruschen nach Europa zu gelangen. Göttliche Fügung – mal wieder. Und vor allem: Schuld und Sühne. Die Menschheit ist zwar nicht Auslöser der Katastrophe, dafür schafft sie es, die Rettung in eine einzige Katastrophe zu verwandeln.

Worum es eigentlich geht

Sicherlich, man kann diese Filme als reine Märchen und/oder Action- und Effektspektakel betrachten und sich einfach an den gelungenen Spezialeffekten erfreuen. Aber die unterschwelligen Botschaften und die ständigen Stereotypen nerven dabei gewaltig – von den hanebüchenen Geschichten und Theorien ganz zu schweigen. Am meisten betrübt die negative Darstellung der Menschheit und das fehlende Vertrauen in ihre Gestaltungskraft und Anpassungsfähigkeit – sowie die weit verbreitete Zukunfts- und Fortschrittsangst. All die Themen und Ideen, die die Menschheit mit voran gebracht haben, also Wissenschaft, Fortschritt, Entwicklung, wirtschaftliches Handeln, wird immer in einem negativem Kontext dargestellt: Kehret um und tuet Buße, scheint es einem immer entgegen zu rufen. Der Mensch an sich ist nicht Herr seines Schicksals, kein Gestalter, sondern immer ein Gebtriebener. Er wird seiner Menschlichkeit beraubt und zu einem gehetztem Tier degeneriert. Besonders zeigt sich die in den Fluchtszenen von 2012, in denen die „Helden“ nicht wirklich durch Können der Gefahr entrinnen, sondern durch reines – tricktechnisch natürlich imposant in Szene gesetztes – Glück.

Schaute man Mitte der 90er scheinbar noch frohgemut in die Zukunft, die auch von übermächtigen Aliens nicht zerstört werden konnte, wandelt sich das Blatt mit dem neuen Jahrtausend. Unaufhaltsame Katastrophen suchen die Menschheit heim, die sich immer weiter von ihren Kerneigenschaften verlassen sieht. Aber vielleicht liegt diese negative Einstellung ja auch nur am Jahrtausendwechsel: Im Jahr 1000 sollen die Menschen ja auch selbstgeißelnd durch die Gassen gezogen sein, um das nahe Ende abzuwenden…

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