Seit etwa zwei Wochen steckt Deutschland in einer Sexismusdebatte, ausgelöst von einem unbeholfenen Kompliment von Rainer Brüderle an die Adresse der jungen Stern-Journalistin Laura Himmelreich. Brüderle soll ihr vor einem Jahr an einer Hotelbar kundgetan haben, ihre Oberweite würde auch ein Dirndl gut ausfüllen und soll auch noch versucht haben, ihr seine Tanzkarte für den FDP-Ball aufzudrängen. Ob das nun wirklich so richtig schlimm sexistisch ist, wie der darauf ausgebrochene und vom Stern ganz uneigennützige los getretene Medienhype suggeriert, sei mal dahin gestellt. Die ganze Debatte hat sich mittlerweile sowieso vom auslösenden Moment entfernt und dreht sich mittlerweile um einen angeblich alltäglichen Sexismus in Deutschland. Aber gehen wir einmal vier Jahre zurück.
Im April 2008 wurde in Oslo eine neue Oper eröffnet, zu deren Einweihung viele Staats- und Regierungschefs aus der ganzen Welt angereist waren, darunter auch die deutsche, als großer Opern-Fan bekannte, Bundeskanzlerin Angela Merkl. Große Aufmerksamkeit erregte dabei aber nicht der Neubau der Oper sondern vielmehr der Vorbau der Bundeskanzlerin, die in einem tief ausgeschnittenen Kleid auflief und dadurch die Blicke, zumeist sehr wohlwollend auf sich zog.
Die Preisfrage ist nun, was daran sexistisch ist, wenn Brüderle einer Journalistin ein Kompliment für ihr Aussehen macht, es aber keineswegs sexistisch ist, wenn sich die ganze Medienelite über das Dekollete der Kanzlerin auslässt. Gerade Merkel, über deren Aussehen sich die meisten bis dahin teils offen, zumeist versteckt lustig gemacht hatten. Der damalige Artikel auf Stern.de beginnt denn auch erst mal mit Hinweisen auf Merkels angeblich schlechten Geschmack und Anspielungen auf ungepflegtes Aussehen (Schweißflecken), um ihr dann von höchster Stelle zu bescheinigen, sie hätte mit ihrem Aussehen allen anwesenden gekrönten Häuptern die Schau gestohlen.
Es gab damals aber auch Stimmen, die Merkel vorwarfen, auf einmal die Waffen einer Frau einzusetzen. Ein Vorwurf der zuletzt in ähnlicher Art auch von Peer Steinbrück kam, der ihr einen Frauenbonus vorwarf. Das war natürlich nicht sexistisch sondern deutscher Qualitätsjournalismus.
Wer den Artikel von damals heute auf Stern.de liest, der bekommt rechts daneben eine Werbung für den aktuellen gedruckten Stern angezeigt, Titelthema: Der tägliche Sexismus..