Der Tod der Todesanzeigen

Der Tod der Todesanzeigen

Immer mal wieder wird das Ende der Lokalzeitungen eingeläutet, angeblich ausgelöst durch das Abwandern der Werbeetats in das Internet, wo zu viele kostenlose Inhalte den gedruckten Qualitätsjournalismus zunichte machen würden. Das Sterben der Zeitungen führe demnach zu einem „Fließbandjournalismus mit recycelten Nachrichten“ und bedrohe die Meinungsvielfalt. Daraus erwächst eine Forderung nach einer staatlichen Stützung der gebeutelten Medien, um die Meinungsvielfalt und damit den Diskurs in der pluralistischen Demokratie zu retten.

Sind das aber wirklich die Gründe für das Sterben der Regional- und Lokalzeitungen? Stibitzen ihnen Internetpublikationen mit „geklauten“ und kostenlosen Inhalten die Werbekunden weg?

Schaut man sich den Medienkonsum in Deutschland im Vergleich der letzten 30 Jahre an, dann fällt auf, dass die Beschäftigung mit Tageszeitungen und Zeitschriften stagniert, während der Konsum von Fernsehen, Hörfunk und Tonträgern stark zugenommen hat. Auch Wochenzeitungen konnten in der Nutzung zulegen und mit dem Internet ist ein ganz neuer Verbreitungsweg auf den Plan getreten, der auch die Zeit der Menschen beansprucht. Die Zeit, die Menschen auf den Konsum von Medien verwenden, verschiebt sich also zwischen den verschiedenen Medientypen.

Da Werbung darauf abzielt, möglichst viele Menschen und möglichst die passende Zielgruppe zu erreichen, verschieben sich mit der Zeitverteilung beim Medienkonsum auch die Werbeetats. Das Internet bietet darüber hinaus bessere Möglichkeiten, Werbung an die richtige Zielgruppe auszuliefern, sowie Interaktionsmöglichkeiten zwischen Werbenden und Kunden.

Eine ähnliche Jammerei verbreitet auch die Musikindustrie, die ebenfalls der Meinung zu sein scheint, ein gottgegebenes Recht auf Wachstum zu haben und gerne vor neuen Entwicklungen geschützt werden will. Auch ihr Griff in die Geldbeutel der Konsumenten muss sich mit immer mehr Händen aus der Telekommunikations- und restlichen Unterhaltungsindustrie herumschlagen. Aber auch hier gibt man neuen Techniken und den Konsumenten selbst die Schuld am Rückgang von Plattenverkäufen.

Welche Werbung befindet sich aber eigentlich in klassischen Regional- und Lokalzeitungen?

Blättert man typische Tageszeitungen, wie die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt durch stellt man schnell fest, dass der Großteil der Werbung und der Werbebeilagen aus der Region kommen. Der Metzger um die Ecke wird wohl nie auf die Idee kommen, eine Anzeige auf SPIEGEL Online oder Welt.de zu schalten. Warum auch? Seine Kunden hat er ja auch vor der Haustür. Das Internet wird diese Werbekunden kaum abziehen können.

Leidet die Qualität nun unter einem Mangel an Werbegeldern oder bleiben Leser und somit Werbekunden auf Grund mangelnder Qualität aus?

Da ist es, dass Henne-Ei-Problem. Es ist nämlich gar nicht so, dass die Qualität erst leidet, seit Werbeeinnahmen wegbrechen. Schon seit Jahren ist es ein großer „Spaß“, jeden Morgen die Tageszeitung zu lesen. Die Texte sind banal, naiv und scheinen alles dafür tun zu wollen, auch noch das letzte Klischee über Lokalzeitungen zu erfüllen. Da bekommt eine entlaufene und dann von irgendwem mit einem Luftgewehr erschossene Katze einen Bericht von der Größe einer halben Zeitungsseite, während Sinn und Unsinn der Schließung von Zwergschulen nebenbei und das vor allem populistisch und boulevardesk behandelt werden. Mit Politik will man den Leser lieber nicht verschrecken, und wenn man doch mal nicht drumherum kommt, dann wird ein Thema möglichst schonend und seicht behandelt. Spricht die Kanzlerkandidatin bspw. in der Stadthalle, dann gilt das größte Interesse den Mengen an belegten Brötchen und dass eine Frau der Kandidatin die Hand geschüttelt hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung würde da nur das Bild stören.

Garniert werden all diese Unberichte durch schlechten Schreibstil, fehlerhaften Satzbau und Unmengen von Rechtschreibfehlern, bei denen man „hofft“, dass sie „nur eingebaut“ werden, um die Spalten passend zu füllen.

Ja, dass Internet stellt für viele Zeitungen ein Problem dar, aber nicht, weil man dort ihre Inhalte klaut und kostenlos anbietet, sondern weil es so einfach ist, an qualitativ hochwertige Berichterstattung zu gelangen. Ich lache zwar jeden Morgen wieder gerne über die Zeitungsinhalte, aber das kann ja eigentlich nicht der Sinn sein.

„Stark im Lokalen“ titeln manche Zeitungen zur Eigenwerbung. Wenn Lokales aber immer nur banal und klischeetriefend ist, dann gibt es keinen Grund, Geld für einen schlechten Morgenwitz auszugeben. Dabei ist gerade das die Kernkompetenz der Regionalzeitung, über Dinge zu berichten, die im Lebensumfeld der Menschen passieren. Dinge, die man nicht Deutschlandweit besprechen muss, weil sie nur eine Region interessieren. Das ist nicht provinziell sondern einfach nur konsequent. Provinziell ist es hingegen, Lokalnachrichten wie Karikaturen ihrer Selbst zu vermitteln.

Nur für die Todesanzeigen braucht niemand eine komplette Zeitung. Vor der eigenen Todesanzeige können sich die Zeitungen nur durch Qualität retten.